Vom 6. bis 9. Juni 2024 wählen in Europa rund 400 Millionen Bürgerinnen und Bürger das neue Europäische Parlament. Wir haben führende Kandidat:innen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), von Bündnis 90/Die Grünen, der Freien Demokratischen Partei Deutschlands (FDP), der Christlich Demokratischen Union (CDU) und der Christlich-Sozialen Union (CSU) nach den entscheidenden Themen des Wahlkampfes gefragt. Lesen Sie hier die Antworten von Katarina Barley, Spitzenkandidatin der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zur Europawahl.

Die zunehmend eskalierenden geopolitischen Konflikte werfen grundsätzliche Fragen zur Rolle der EU in der Welt auf. Wie sehen Sie diese Rolle und Ihre eigenen Möglichkeiten, sich für Frieden und Verständigung einzusetzen?

Die EU ist ein Friedensprojekt. Die Gründung der Union sollte sicherstellen, dass niemals wieder Krieg zwischen ihren Mitgliedern herrscht. Heute steht die Europäische Union für Frieden und Wohlstand. Dafür wurde sie auch mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Sie ist ein Ort des Austauschs und der Verständigung. Die meisten Menschen wissen seit dem russischen Angriff auf die Ukraine, wie fragil dieser Frieden ist. Seit Kriegsausbruch hat die EU die Ukraine in vielfältiger Weise unterstützt. Es ist der EU bewusst, dass Frieden nicht umsonst ist. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die EU aus 27 individuellen Nationalstaaten besteht. Dass es da immer mal wieder Meinungsverschiedenheiten gibt, ist nicht weiter verwunderlich. Ich wünsche mir, dass in Zukunft noch intensiver an einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gearbeitet wird. Es ist wichtig, dass die EU geschlossen auftritt. Sie muss ihre diplomatischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten nutzen, um Konflikte zu lösen und Lösungen zu finden.

Die Europäische Union will bis 2050 klimaneutral werden. Die letzte Legislaturperiode brachte viele Vorhaben mit sich, um die EU auf den Pfad der Klimaneutralität zu bringen. Mittlerweile regt sich aber der Widerstand gegen den immer höheren bürokratischen Aufwand. Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit die europäische Klimaagenda auch weiterhin von der breiten Bevölkerung mitgetragen wird?

Die Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die EU hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein. Um das zu schaffen, muss noch viel passieren. Die Menschen in Deutschland und Europa unterstützen das. Sie wünschen sich in großen Teilen mehr Klimaschutz. Es ist wichtig, die direkten Vorteile der Klimaschutzmaßnahmen für die Lebensqualität und die Wirtschaft zu kommunizieren. Zum Beispiel, dass wir in den Städten alle von weniger Lärm und Abgasen durch Autos und LKW profitieren. Dabei müssen auch lokale und regionale Besonderheiten berücksichtigt werden.

Was dem europäischen Klimaschutz nicht hilft, ist konservatives Gezänk. Ursula von der Leyen hat den European Green Deal zu ihrem Prestigeprojekt gemacht. Die CDU sabotiert das, sowohl im Europäischen Parlament als auch Friedrich Merz in Deutschland. Niemand weiß mehr, wofür die CDU wirklich steht. Das geht so nicht weiter. Klimaschutz ist kein politischer Spielball, sondern dringend notwendig, um die Zukunft auf unserem Kontinent zu sichern.

Können Sie sich an vergangene politische Entscheidungen erinnern, die Sie heute nicht mehr so treffen würden? Wenn ja, welche und warum?

In der Politik ist Lernen – wie überall – ein ständiger Prozess. Entscheidungen werden unter Beachtung aller verfügbaren Informationen sorgfältig abgewogen. Es kann passieren, dass mit einigen Jahren Abstand neue Informationen vorliegen und Entscheidungen deswegen rückblickend anders bewertet werden können. Bislang kann ich mit meinen politischen Entscheidungen allerdings gut leben.

Entscheidungen auf EU-Ebene betreffen Millionen von Bürger:innen. Wovon lassen Sie sich bei Fragen leiten, die große Auswirkungen haben (z. B. innerer Kompass, Bauchgefühl, Orientierung an Werten)?

In der EU leben knapp 450 Millionen Menschen aus 27 Ländern. Und nicht nur das. Europäische Gesetzgebung strahlt oft weit über die Grenzen der EU hinaus. Die europäischen Vorstöße beim Datenschutz haben globale Standards gesetzt. Jetzt genießen auch viele Menschen außerhalb der EU ähnliche Regeln. Die Verantwortung ist mir definitiv bewusst. Meine Orientierung sind dabei immer meine Werte. Sozialdemokratische Werte wie Gerechtigkeit, Solidarität und Respekt. Demokratische Werte wie der Rechtsstaat und Menschenrechte. Ich mache Politik, damit Menschen besser leben können. Vor allem diejenigen, die selbst nicht so eine starke Lobby haben.

Dr. Katarina Barley ist SPD-Politikerin und Abgeordnete des EU-Parlaments. Für die SPD tritt sie bei der diesjährigen Europawahl als Spitzenkandidatin an. Nach ihren Ämtern als Bundesfamilien- und Bundesjustizministerin ist Barley seit 2019 Vizepräsidentin des EU-Parlaments.

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