Er hat es getan. Mesut Özil ist zurückgetreten. Er hat es in drei Schritten getan. Drei Tweets, die kleckerweise das Licht der Öffentlichkeit erreichten. Die ersten zwei mit zwei Stunden Abstand, der dritte kurz vor dem Tatort. Das Ganze in Englisch und bewusst in diesen Abständen. Und über seinen Twitter-Account, nicht im Rahmen eines Interviews. Kein Raum für kritische Nachfragen. Ziel: Die maximale, die weltweite Aufmerksamkeit. Ohne Rechtfertigungsdruck.

Das ist seinem Management wahrlich gelungen. Aber was sich rund um die Personalie Özil in den letzten Wochen beim mitgliederstärksten Verband der Welt abspielt, ist absolut unwürdig und wirft ein sehr schlechtes Bild auf den Deutschen-Fußballl Bund. Und auch auf Mesut Özil selbst.

Der Gelsenkirchener Özil, der immer gerne von den zwei Herzen in seiner Brust spricht, hat beim Verfassen (lassen) seiner Kritik-Trilogie alle und alles in den Blick genommen – nur nicht sich selbst. Er habe von seiner Mutter gelernt, dass man dem Präsidentenamt Respekt entgegenbringt.

Mesut Özils Bild mit dem Präsidenten Erdogan war aus Sicht des türkischen Präsidenten eine Wahlbotschaft an alle Unentschlossenen: Seht her, ich treffe mich mit einem der besten Fußballer der Welt. Dieser ist Kosmopolit, spielt inzwischen in London und überreicht mir sein Trikot. Ich, Erdogan, gehöre also dazu. Meine Taten in der Heimat sind nicht relevant.

Dass Özil noch heute meint, man könne so etwas als unpolitisch verkaufen, zeigt wie wenig mit ihm zumindest von Seiten des DFB kommuniziert wird. Dieser hat seinen Spielern gegenüber auch eine Fürsorgepflicht. Noch vor der WM hätte es Gespräche mit Özil geben und die Haltung des Verbandes ihm und auch der Öffentlichkeit gegenüber klar vermittelt werden müssen. Bis heute weiß man nur, dass die Herren Grindel und Co. die Wirkung der Özil-Erdogan Bilder und den Umgang damit kritisieren. Warum der DFB aber auf Grund seiner Werte diese Bilder nicht gutheißen kann, hat die Öffentlichkeit nie erfahren. Und offensichtlich auch Mesut Özil nicht.

Noch vor der WM hätte es eine Erklärung geben müssen, entweder eine gemeinsame in der Özil und Gündogan klar machen, dass das Erdogan-Bild ein Fehler war oder eben getrennte: mit einer klaren Haltung des DFB auf der einen und dem Verzicht an der WM-Teilnahme durch Özil auf der anderen Seite.

Das hätte Mut erfordert. Mut, den die DFB-Spitze offensichtlich nicht aufbringen konnte. Das ist nicht klug gewesen. Absolut unverständlich sind die feigen Kommentare von Reinhard Grindel und Oliver Bierhoff nach der WM. Die Schuld für ein WM-Desaster nur bei einem Spieler zu suchen, ist unwürdig. Und dann auch noch dem Eindruck Raum zu lassen, dieser Spieler sei auf Grund seiner Herkunft so behandelt worden, wie er behandelt worden ist, ist der absolute Tiefpunkt für einen Verband, der auch in Zukunft seiner Vorbildfunktion gerecht werden will.

Nach dem Özil-Rücktritt sollte daher vor dem Grindel-Rücktritt sein. Der DFB hätte so eine Chance zum Neuaufbau.  Und dann sollten wir uns die Zeit und den Raum nehmen für die Diskussion, wie wir im Alltag miteinander umgehen und welche Rolle unser Geschlecht, unsere Religion und unsere Herkunft dabei spielen sollten.

Ich meine keine.

 

Serkan Agci ist Director bei 365 Sherpas.

 

Bild: DE255; https://www.flickr.com