Wie „digital“ sind die Wahlprogramme der Parteien?

Die Digitalisierung zählt zu den einschneidensten Entwicklungen unserer Zeit, die sämtliche Gesellschaftsbereiche erfasst und nachhaltig verändern wird. So oder so ähnlich lautet der Tenor quer durch alle Parteien. Dass dieser „Megatrend“ im laufenden Wahlkampf wenig bis überhaupt kein Thema war, verwundert daher etwas.

Zumal in der letzten, zugegeben sehr verkürzten Legislaturperiode doch viele öffentlichkeitswirksame Digitalisierungsthemen diskutiert oder beschlossen wurden: vom Facebook-Skandal, der Datenschutzgrundverordnung bis zum Bundestrojaner und Klarnamenpflicht. Und nicht zuletzt wurde eine Digitalsteuer auf den Weg gebracht und in der Nationalratssitzung vom 20. September noch beschlossen.

Aber auch wenn die Digitalisierung kein Hauptwahlkampfthema war, beschäftigen sich mehr oder weniger alle Parteien ausführlich mit Fragen der Digitalisierung in ihren Wahlprogrammen.

Überblick: Welche Schwerpunkte haben die Digitalisierungsthemen in den Wahlprogrammen der Parteien?

Die ÖVP hat in fünf Schritten insgesamt 100 Projekte vorgestellt, die ihr Wahlprogramm bilden und auch einige Digitalthemen beinhalten.

Bildung und Innovation
Im vierten Teil des Wahlprogrammes geht es um Bildung sowie Forschung & Innovation. Die ÖVP will für den Bildungsbereich einen Masterplan entwickeln, um die Digitalisierung des Unterrichts voranzutreiben. Dazu zählen neue Lehr- und Lerninhalte genauso wie verpflichtende Aus- und Weiterbildungen für Lehrer. Zudem solle es eine Plattform geben, wo digitale Inhalte allen Österreichern zur Verfügung gestellt werden.

Infrastruktur
Die ÖVP will 5G-Vorreiter in Europa werden und den Breitbandausbau vorantreiben. Konkrete Ziele werden nicht genannt, lediglich dass es „eine möglichst hohe durchgängige Bandbreite für möglichst viele Haushalte“ geben soll. Vor allem am Land soll der Ausbau eine „digitale Landflucht“ verhindern.

Sicherheit
Die ÖVP will die Kapazitäten im Cybersecurity-Bereich ausbauen und ihn dafür zu einem Teil der Grundausbildung beim österreichischen Bundesheer machen. Generell soll das Bundesheer verstärkt mit Bildungs- und Forschungseinrichtungen in diesen Fragen kooperieren.

Weitere Themen sind IT-Fachkräfte (5.000 mehr) und die Bekämpfung von Hass im Netz (Klarnamenpflicht, härtere Strafen bei Verhetzung). Dem Thema Datenschutz wird wenig Platz eingeräumt. Nur beim Projekt „Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben“ wird es erwähnt.

Die SPÖ hat das mit 164 Seiten insgesamt umfangreichste Wahlprogramm vorgelegt, das auch viele Digital-Themen enthält.

Bildung
Die SPÖ wollen die Aktion des Gratis-Schulbuches in das digitale Zeitalter bringen und fordern ein Gratis-Tablet für alle Schüler der Unterstufe sowie einen Gratis-Laptop in der Oberstufe. Auch Berufsschulen sollen mit Tablets ausgestattet werden. Zudem soll jede Schule ans Breitbandinternet angeschlossen werden und WLAN zur Verfügung stellen. Lehrer sollen verpflichtend an Fortbildungen teilnehmen, um Digitalkompetenzen zu erwerben. Und, last but not least, soll digitale Grundbildung ein wesentlicher Teil des Lehrplans werden.

Infrastruktur
Die SPÖ will Glasfaser und 5G in alle Haushalte bringen. So soll es gigabitfähige Anschlüsse flächendeckend bis 2030 geben.

Netzpolitik
Bei der SPÖ nehmen auch netzpolitische Themen Platz ein. So ist sie für Netzneutralität und gegen Uploadfilter, betont den Datenschutz und will sich für ein modernes Urheberrecht stark machen.

Arbeit
Die Balance zwischen innovationsfreundlichen Rahmenbedingungen und gleichzeitiger Wahrung der von den Sozialdemokraten erkämpften Arbeiterrechten ist für die SPÖ naturgemäß herausfordernd. Im Wahlprogramm 2019 lautet das Credo „die Digitalisierung aktiv begleiten“. Darin besinnt sich die SPÖ klar auf ihre Kernwählergruppe und fordert eine Arbeitszeitverkürzung (4 Tage-Woche) sowie einen besseren Status für Plattform-Arbeitende. Auch die geforderte Jobgarantie bei Langzeitarbeitslosigkeit soll die Umbrüche am Arbeitsmarkt abfedern.

Das Thema Digitalisierung spielt bei der Freiheitlichen Partei im Wahlprogramm 2019 – sanft ausgedrückt – eine untergeordnete Rolle. Einzig beim Kapitel zum Thema direkte Demokratie wird darauf verwiesen, dass es mit der digitalen Signatur eine niederschwellige Möglichkeit zur Partizipation geschaffen wurde.

Im Regierungsprogramm 2017 hat sich die FPÖ mit der ÖVP auf ein paar Kernpunkte geeinigt, die umgesetzt worden sind oder wohl auch weiterverfolgt werden sollen: digitale Amtswege über oesterreich.gv.at, flächendeckender Breitbandausbau (100 Mbit/Sekunde), Start des Ausbau des 5G-Netzes bis 2021. Zudem sollte die Schaffung der digitalen Betriebsstätte Steuerschlupflöcher für Online-Unternehmen schließen. Die Klarnamenpflicht war geplant und die Möglichkeit zum Einsatz von Überwachungssoftware (Stw. Bundestrojaner, ab 1.1.2020) wurde beschlossen.

Wie beim Klimawandel haben die Grünen auch bei der Digitalisierung das Credo ausgegeben, diese sozial abzufedern. So sollen z.B. auch Ältere Teil des digitalen Zeitalters werden, indem es mehr Unterstützung und Angebote für weniger technikaffine Menschen geben soll.

Bildung
Die Vorstellungen der Grünen sind im Bereich der digitalen Bildung ähnlich wie die von ÖVP, SPÖ und NEOS. So soll es eine fächerübergreifende Medienbildung in Schulen geben und die Vermittlung von fächerübergreifender digitalen Kompetenzen in der Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen stärker berücksichtigt werden.

Arbeit
Die Grünen wollen die Digitalisierung als Chance für eine Arbeitszeitverkürzung sowie selbstbestimmte Arbeitszeiten nutzen. Dazu fordern sie aber ein modernes Arbeitsrecht, vor allem um die Atypisierung von Arbeitsverhältnissen zu bekämpfen. Der Arbeitnehmerbegriff soll auf „neue Selbstständige“ und andere atypischer Beschäftigungsformen ausgeweitet werden.

Infrastruktur
Sie wollen jeden Haushalt und jedem Unternehmen einen Breitbandanschluss als Grundversorgung zur Verfügung stellen und diesen als Universaldienst garantieren. Dazu soll es flächendeckendes Hochleistungsinternet auf Glasfaserbasis in ganz Österreich geben (ohne Zeitraum). Auffallend ist, dass sich die Grünen explizit für die Glasfasertechnik aussprechen und dem Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes zögerlich gegenüberstehen. Hier heißt es Bedenken ernst nehmen, Sendemasten reduzieren und stattdessen in betreiberunabhängige Technik investieren.

Netzpolitik
Weniger überraschend lehnen die Grünen Einschränkungen der digitalen Bürgerrechte klar ab (Upload-Filter, Klarnamenpflicht, Vorratsdatenspeicherung, usw.) und stehen klar auf der Seite pro Datenschutz und Netzneutralität. Sie fordern sogar ein Recht auf Anonymität im Netz. Für Sicherheit, Datenschutz und Konsumentenschutz soll ein klarer rechtlicher Rahmen geschaffen werden. Zudem soll das Amtsgeheimnis zugunsten eines Informationsfreiheitsgesetzes abgeschafft werden. Ihr Motto lautet: „Gläserner Staat statt gläserner Bürger“.

Im Bereich der Digitalisierung betonen NEOS, dass es ganzheitliche Konzepte braucht.

Bildung
NEOS wollen digitale Kompetenzen – technisch und inhaltlich – fördern. IT-Kenntnisse und ein Basiswissen in Programmieren sollen über den Bildungsbereich einer breiten Bevölkerung zugänglich gemacht werden. Dazu soll u.a. eine Bildungspflicht bis zur Mittleren Reife eingeführt werden, bei der Programmieren – neben Lesen, Schreiben, Rechnen, Deutsch und Medienkompetenz – ein Kernfach ist.

Infrastruktur
NEOS fordern ebenfalls flächendeckenden Zugang zu ultraschnellem Internet in ganz Österreich, ohne einen konkreten Zeitraum für die Zielerreichung zu nennen.

Netzpolitik
NEOS pochen auch im Internet auf die Wahrung der Grundrechte (Datenschutz, Privatsphäre, Meinungsfreiheit), wollen aber auch sicherstellen, dass neue Regulierung vorausschauend, technologieneutral und ausreichend flexibel ist, um Innovationen nicht zu unterbinden. Sie fordern ein Grundrecht auf Informationsfreiheit (nach Hamburger Muster).

Conclusio

Die Digitalisierung ist ein Themenbereich, wo es durchaus viel Übereinstimmung bei den Parteien gibt. So herrscht in Fragen des Breitbandausbaus und – überraschenderweise – auch in vielen Fragen der digitalen Bildung (Stw. Fach Medienkompetenz, Lehrerfortbildung) wenig Dissens. Der Teufel steckt aber im Detail bzw. in den netzpolitischen Fragen. Anhand von Klarnamenpflicht, Uploadfilter und Datenschutz erkennt man doch die grundsätzlichen Unterschiede.