Die veranschlagten Ausgaben im aktuellen Bundesbudget umfassen ca. 80 Mrd. Euro. Die Bereiche Pensionen, Arbeit, Soziales, Konsumentenschutz, Gesundheit, Familie und Jugend machen etwa die Hälfte davon aus, allein die Pensionsausgaben etwa ein Viertel. Es wäre also wenig verwunderlich, wenn diese Politikbereiche und die Ausgaben der öffentlichen Hand dafür auch im Wahlkampf stark umkämpfte Themenfelder wären. Das trifft nur teilweise zu, überschatten doch weniger Inhalte als vielmehr persönliche Untergriffigkeiten und Themenleere diesen Wahlkampf. Aufgrund der hohen Budgetrelevanz, die dieser Politikbereich jedoch hat, sollen die wichtigsten Positionen der Parteien zu Kernthemen im Bereich Arbeit & Soziales – wie zum Beispiel die Themen Pensionen und Pflege – dennoch kurz skizziert werden.
Die Thematisierung einer wirklich umfassenden Pensionsreform wird von den meisten Parteien in diesem Wahlkampf gekonnt umschifft und muss teuren, populistischen Wahlgeschenken weichen, die das System zwar nicht dauerhaft absichern, dafür aber die Klientel der wahlwerbenden Parteien kurzfristig zufrieden stellen, wie etwa die kürzlich beschlossene Mindestpension von 1.200 Euro.
Ad. Mindestpension: Die Grünen fordern in ihrem Wahlprogramm die Einführung einer „steuerfinanzierten Grundpension für alle Menschen ab 65 Jahren in der Höhe von 900 Euro“. Die FPÖ fordert ebenfalls eine Mindestpension und hat gemeinsam mit ÖVP, SPÖ und Liste JETZT gegen die Stimme von NEOS am 2. Juli 2019 kurz vor der Wahl eine Mindestpension von 1.200 Euro netto ab mindestens 40 Beitragsjahren beschlossen. Umgesetzt werden soll diese Maßnahme bereits ab 1. Januar 2020, die Kosten dafür werden mit etwa 50 Mio. Euro pro Jahr angegeben, könnten sich aber in den kommenden Jahren noch deutlich steigern. Darüber hinaus fordern NEOS schon lang und die ÖVP eher neuerdings ein automatisches Pensionssplitting zwischen Elternteilen. Bisher ist das Pensionssplitting innerhalb der Bevölkerung weitgehend unbekannt und nur über ein opt-in-Verfahren zu beantragen, was zu einer sehr geringen Inanspruchnahme führt. Das wollen ÖVP, NEOS und Grüne jetzt ändern umdrehen, damit das Pensionssplitting automatisch erfolgt und es eine opt-out-Möglichkeit gibt.
Die ÖVP bringt außerdem eine Taskforce ins Gespräch, die sich mit dem potenziellen Missbrauch von Sozialleistungen auseinandersetzen soll. Hier sollen alle Leistungen gebündelt und so ein Überblick über Sozialleistungen und insbesondere Zahlungen ins Ausland möglich werden. Die ÖVP ortet insbesondere bei Zahlungen der Familienbeihilfe ins Ausland Bedarf zur näheren Untersuchung.
Während Deutschland für die Finanzierung der Pflegeversicherung der Buß- und Bettag als arbeitsfreier Feiertag abgeschafft wurde, gibt es in Österreich derzeit eine solche Versicherung nicht und auch der Reformwille hielt sich bei vergangenen Regierungsparteien in Grenzen. Das Pflegesystem in Österreich und insbesondere seine Finanzierung sind extrem zersplittert und komplex. Durch die Abschaffung des Pflegeregresses kurz vor der Nationalratswahl 2017 entstanden nicht nur hohe Kosten, sondern auch Anreize, pflegebedürftige Personen in stationären Einrichtungen unterzubringen. Nach wie vor ist die Frage nach der Finanzierung des Pflegesystems eine große, die mit der alternden Bevölkerung nicht kleiner wird.
Die ÖVP prescht daher in diesem Wahlkampf mit der Forderung nach einer Pflegeversicherung voran. Diese soll sich teilweise aus dem Bundesbudget und teilweise über die Umschichtung von Beiträgen aus der Unfallversicherung finanzieren. Die SPÖ hingegen spricht sich gegen eine Pflegeversicherung aus und fordert eine Finanzierung der Pflege über eine Millionärssteuer. Außerdem fordert sie eine Pflegegarantie.
Die FPÖ verweist auf ihr Pflegekonzept (das leider weder im Wahlprogramm verlinkt noch über die Suche auf der Website auffindbar war), das vor allem durch Einsparungen struktureller Reformen finanzielle Mittel für die Pflege schaffen soll. Sie fordert außerdem eine Erhöhung des Pflegegeldes für die Pflege daheim. Organisiert werden soll die Pflege und insbesondere auch die jetzige 24-Stunden-Betreuung über eine neu eingerichtete Bundesgenossenschaft für Pflege und Betreuung, die beispielsweise auch für die Weiterbildung von Pflegenden zuständig sein soll. Spitzenkandidat Norbert Hofer spricht sich außerdem für ein eigenes Staatssekretariat für die Pflege aus.
In Österreich gibt es de facto keine Erbschaftssteuer und die SPÖ möchte das ändern: Sie fordert eine Erbschaftssteuer von 25% ab 1 Mio. Euro, wobei die erste Million steuerfrei bleiben soll. Die Grünen gehen noch etwas weiter und fordern eine Erbschaftssteuer für die reichsten 10% sowie eine Schenkungssteuer, geben in ihrem Wahlprogramm aber keine Details zu Höhe und Umsetzung einer solchen Steuer bekannt. ÖVP, FPÖ und NEOS sprechen sich gegen eine Erbschaftssteuer aus.
Die SPÖ fordert eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden in der Woche, sowie einen Rechtsanspruch auf eine 4-Tage-Woche. Die Grünen wollen eine schrittweise Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Stunden sowie mehr Arbeitszeitflexibilisierung. Eine flexiblere Arbeitswelt, jedoch keine Reduktion der Arbeitszeit wünschen sich auch NEOS. ÖVP und FPÖ sprechen sich gegen eine Verkürzung der Arbeitszeit aus.
Für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf fordern NEOS, Grüne und SPÖ neben einem ausreichenden Angebot an Kinderbetreuungsplätzen einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr. ÖVP und FPÖ sprechen in ihren Programmen zwar auch von der Notwendigkeit eines breiteren Angebotes an Kinderbetreuungsplätzen, fordern jedoch keinen Rechtsanspruch darauf.
Für einen uneingeschränkten und sofortigen Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber spricht sich keine Partei aus. SPÖ, NEOS und Grüne halten es jedoch für sinnvoll, dass Asylwerber nach einiger Zeit Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, sofern die Asylverfahren zu lange dauern. Die NEOS plädieren beispielsweise dafür, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt sechs Monate nach der Zulassung zum Asylverfahren ermöglicht wird. SPÖ und Grüne nennen hier keinen bestimmten Zeitpunkt. Argument aller Befürworter ist hier insbesondere, dass man ein Abdriften in illegale Beschäftigungsverhältnisse vermeiden und eine möglichst rasche Integration fördern möchte.
Bei Betrachtung der inhaltlichen Positionen im Bereich Arbeit & Soziales der wahlwerbenden Parteien fällt auf, dass insbesondere SPÖ und Grüne auf der einen und ÖVP und FPÖ auf der anderen Seite inhaltlich nur schwer zueinander finden werden, da die grundsätzlichen Positionen sehr weit voneinander entfernt scheinen.
Ein paar Kernthemen aus den Bereichen Arbeit & Soziales konnten sich im Wahlkampf dennoch teilweise durchsetzen, beispielsweise die Thematisierung der Pflege. Auffällig ist, dass trotz der sich derzeit in Umsetzung befindenden Sozialversicherungsreform Gesundheitsthemen kaum Platz gefunden haben, auch die Themen Frauen und Gleichbehandlung wurden zwar vereinzelt angesprochen, jedoch nicht im Detail diskutiert.