Von Michael Wedell
Gibt es guten Lobbyismus? Zumindest gibt es keine „guten“ und keine „schlechten“ Interessen. Es ist zum Glück Aufgabe der Politik, sich einen Überblick über die Interessen zu verschaffen – so breit und so unterschiedlich sie auch sein mögen – und dann abzuwägen.
Es ist ein dichter Dschungel unterschiedlicher Vorschläge, Forderungen und Informationen, in dem sich politische Entscheider täglich zurechtfinden müssen. Trotz allem die Übersicht behalten und die richtigen Entscheidungen treffen – das ist Teil ihres Jobs. Leicht ist die Aufgabe nicht: Komplex sind die zu berücksichtigenden Interessen, unübersichtlich die Zahl der Anspruchsgruppen und massenhaft das technologische Wissen. Dazu kommt die Frage: ‚Kann ich demjenigen überhaupt vertrauen, der mir Informationen bringt und seine Interessen vertritt? Womit wir beim Kern sind.
„Lieber Geld verlieren als Vertrauen.“ Schon Robert Bosch wusste, wie sehr dem eigenen Handeln die Grundlage entzogen sein kann, wenn Vertrauen fehlt. Das gilt umso mehr für die Art und Weise, wie wir uns als Interessenvertreter im Berliner Betrieb und in unserem beruflichen Alltag verhalten und unsere Reputation erwerben.
Hier ist Vertrauen die Basis für verantwortliche Interessenvertretung – für „responsible lobbying“. Und das gilt für alle Beteiligten: Als Absender und als Empfänger von interessengeleiteten Botschaften, als Rechtsanwälte, Gewerkschafter, Kirchenvertreter und Unternehmenslobbyisten, als Abgeordnete, Journalisten, Ministeriumsmitarbeiter. Denn es sind nicht nur ein paar Unternehmensvertreter und Agenturleute, die Interessenvertretung machen. Wer die Diskussion darauf verkürzt, macht einen Fehler oder vertritt beziehungsweise verstärkt ein ziemlich antiquiertes Bild von Interessenvertretung.
Vertrauen kann man nicht verordnen. Transparenz und Professionalität sind die „harte Währung“ in der Interessenvertretung und gleichzeitig notwendig zur Herstellung von Nachhaltigkeit für die möglichst besten politischen Entscheidungen. Freiwillige Transparenz auf der einen Seite, die bedeutet, mit Haltung voranzugehen, ein gutes Beispiel zu geben und darauf hinzuwirken, dass auch andere sich diesem Wege anschließen. Vorgeschriebene Transparenz auf der anderen Seite, wie sie richtigerweise das Lobbyregister in Brüssel erfordert und wie wir es auch in Berlin bräuchten.
Transparenz im Sinne des legislativen Fußabdrucks ist ebenso notwendig wie die Offenlegung von Nebeneinkünften bei Abgeordneten. Wichtig ist die Gegenseitigkeit all dieser Determinanten. Interessenvertretung ist schließlich keine Einbahnstraße. Deshalb nützt es auch nichts, dass Politik auf Wirtschaft zeigt und umgekehrt, wenn etwas mal nicht läuft. Auch diese Gegenseitigkeit und diese Art des Umgangs schaffen Vertrauen. Wie können wir Vertrauen konkret übersetzen? Hilfreich ist das Konzept der verantwortlichen Interessenvertretung. Den Unterschied machen sowohl die Prozesse als auch die Inhalte aus.
Die Prozesse des „responsible lobbying“ sind durch ein hohes Maß an Transparenz gekennzeichnet: Die eigenen Ziele sowie deren Durchsetzungsmethoden sind klar erkennbar; gegenüber allen Gesprächspartnern werden die gleichen Botschaften kommuniziert. Wir leben dies auch durch unser Digitales Hauptstadtbüro – bei dem man auf Berliner und Brüsseler Bühne transparent und ohne Zugangsbeschränkungen einen Einblick in unsere Themen erhält. Und genauso wichtig: Informationen über die Personen, die Lobbying machen.
Die Inhalte des „responsible lobbying“ orientieren sich an gesamtgesellschaftlichen Zielen und dienen eben nicht dem Erwerb von Privilegien zu Lasten Dritter. Vielmehr stehen sie mit der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens im Einklang.
Nur so kann ein langfristiges Vertrauensverhältnis aufgebaut werden, das für eine erfolgreiche Interessenvertretung – und ja: Politikberatung – unerlässlich ist. Neben dem, was wir als Unternehmenslobbyisten tun können, ist auch die Transparenz des politischen Systems wichtig. Es muss nachvollziehbar bleiben, wie Entscheidungen zustande kommen und wer daran in welchem Maße mitwirkt. Die Transparenz wirkt hier als entscheidendes Werkzeug, um von bestehenden Ungleichgewichten in Machtverhältnissen zu abstrahieren und allen Beteiligten einen gleichberechtigten Zugang zum Entscheidungsprozess zu gewährleisten. Somit kann dieser Einfluss unabhängig von finanzieller oder personeller Ausstattung geltend gemacht werden.
Die eingeführten Transparenzregister sind ein erster Schritt, um (eine interessierte) Öffentlichkeit mit den notwendigen Informationen zu versorgen. Aber das muss noch vielmehr für den eigentlichen politischen Prozess gelten: Veröffentlichte Referentenentwürfe von Ministerien, schnelle Klarheit über Zuständigkeiten und beteiligte Dritte – da ist noch etwas der viel zitierten „Luft nach oben“.
Zur Transparenz gehört auch: wissen, was im eigenen Unternehmen und in der Politik passiert. 365 Sherpas haben gemeinsam mit den Partnern ferret und ressourcenmangel für die METRO GROUP das Public Policy Dashboard entwickelt. Damit entstehen neue Möglichkeiten in der Politikbeobachtung, der strategischen Analyse und dem Issue-Management – durch die systematische Aggregation und Archivierung politischer Vorgänge und Debatten, zugehöriger Dokumente und Termine sowie relevanter Stakeholder in einer zentralen Issue-Management-Datenbank.
Mit diesen Schritten – „responsible lobbying“ auf Seiten derjenigen, die Interessen vertreten, klaren Regeln und Transparenz auch des politischen Prozesses – können wir einen Rahmen schaffen, der dafür sorgt, dass die Kraft des Wettbewerbs einen Wettlauf um die nachhaltigste Lösung ermöglicht. Dann kann Lobbying, kann Politikberatung weit mehr als nur ein Mittel zur Durchsetzung partikularer ökonomischer, ökologischer oder sozialer Interessen sein. Es ist ein Mittel, um durch organisierte Interessenvertretung eine zukunftsfähige Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung mitzugestalten. Und dann sind wir doch schon fast beim „guten Lobbyismus“.
Dieser Artikel ist im Dezember 2016 als Gastbeitrag im Jahresbrief der 365 Sherpas namens „Haltung“ erschienen. Das Thema der ersten Ausgabe 2016 ist „Guter Lobbyismus“.
Michael Wedell war von 2009 bis 2018 im Bereich Konzernkommunikation und Politik der METRO AG tätig, den er seit 2016 leitete. Er wurde 1968 in Berlin geboren und studierte katholische Theologie und Politikwissenschaften an der FU Berlin. Michael Wedell hat eine Berufsausbildung als Supervisor (DGSv) und Coach abgeschlossen. Aktuell verantwortet er als Global Director Corporate Communications and Public Policy insbesondere die Kommunikationsaktivitäten und die globale Interessen- und Außenvertretung der METRO AG Wholesale and Food Specialist Company.
Bild: Silke Roßbach