Von Antonia Meyer, Serkan Agci und Daniel Auwermann

Der Einbruch des Bruttoinlandsprodukts im ersten Quartal um 2,2 %, die zu erwartende schwerste Rezession in der Nachkriegsgeschichte und nicht zuletzt das eingetrübte Konsumklima haben schwere Auswirkungen auf die Unternehmen und ihre Mitarbeiter:innen. Dabei – das belegt eine repräsentative Befragung von TRAFO gemeinsam mit com.X – steht eine Spezies besonders im Fokus: Die der Untenehmenslenker:innen. 8 von 10 der befragten Beschäftigten geben im Rahmen einer repräsentativen Befragung an, dass sie großes Vertrauen haben, dass ihre Vorgesetzten sie und ihren Arbeitsbereich erfolgreich durch die Krise führen und die Rückkehr nach Corona erfolgreich gestalten. 

Die Aufgabe hat es in sich und die Verantwortung ist groß. Corona wird uns noch lange Zeit begleiten und hat schon jetzt tiefgreifende Spuren hinterlassen. Die asymmetrische Erholung der Wirtschaft setzt sich seit Mai weiter fort. Während der GfK-Konsumklima-Index und das ifo-Geschäftsklima positive Signale senden, befinden sich Teile der produzierenden Industrie (z. B. Automobilindustrie) sowie weitere Branchen, die stark vom Import und Export abhängen, weiterhin in einer Krise. Nach einer neuesten Umfrage des ifo Institute – Leibniz Institute for Economic Research sehen 21 % der befragten Firmen die Auswirkungen der Corona-Pandemie als existenzgefährdend – allen voran in der Dienstleistungsbranche. Für Unternehmen geht es nun darum, das was ohnehin vorhanden ist, wieder zum Laufen zu bringen, die Belegschaft zu motivieren, neue Ziele zu formulieren und letztlich eine neue Erfolgsgeschichte zu schreiben – sozusagen ein Reboot.

Die Sozialforscher:innen von com.X haben dazu vom 20. – 23. April über 1.000 repräsentativ ausgewählte Beschäftigte aller mitarbeiterstarken Branchen Deutschlands mithilfe eines Online-Panels befragt. 44 % der Beschäftigten sehen positive Veränderungen im Führungsverhalten ihrer Vorgesetzten.

In Summe ist das Vertrauen in die Vorgesetzten groß und der Glaube an das eigene Unternehmen ungebrochen. So sind 88 % der Befragten davon überzeugt, dass das eigene Unternehmen auch in Zukunft erfolgreich und zukunftsfähig sein wird – vor Corona waren es mit 92 % nur wenig mehr.

Die Studie zeigt: Die Vorgesetzen sind es, die ihre Unternehmen – und damit Deutschland – durch die Krise in eine neue Realität bringen müssen. Und es wird ihnen auch zugetraut, die Aufgabe zu meistern. Doch wie kann es gelingen? Wie kann jetzt konkret ein erster Schritt der eigenen Organisation aussehen? Welche Dimensionen sollten auf jeden Fall mitgedacht werden? Welche Fragen sollten sich Führungskräfte stellen? Unser Reboot-Canvas gibt Orientierung.

Im Fokus steht die eigene Organisation und ihre Umwelt in der veränderten Realität. Sie befindet sich einerseits zwischen einem internen und einem externen Wirkungsfeld und andererseits an der Schnittstelle zwischen dem eigenen Geschäftsmodell und der gesellschaftlichen Verantwortung. Die Kommunikation in Richtung der Beschäftigten und der Öffentlichkeit sind dabei ebenso relevante Faktoren wie die Strategie bezüglich Geschäftsmodell mit Produkt bzw. Produktion sowie dem zu bespielenden Markt.

Im Reboot-Canvas geht es darum, als ersten schnellen Check jeweils die vier Dimensionen Produkt, Markt, Öffentlichkeit und Beschäftigte zu hinterfragen. Was funktioniert für die eigene Organisation in den vier Quadranten? Was benötigt Aufmerksamkeit? Wie hat sich durch die Krise die Dimension grundsätzlich verändert und welche Auswirkungen sind damit für meine Organisation verbunden?

Durch die Beschäftigung mit den Dimensionen geht es zunächst darum, sich ein klares Bild über die neue Realität zu verschaffen, um in einem nächsten Schritt konkrete Aktionen für einen Reboot abzuleiten. Dies kann – ähnlich einem Businessplan den Start-ups aufstellen – bei einem Reboot helfen, die eigene Organisation strukturiert zu hinterfragen, konkrete Maßnahmen für jede Dimension zu entwickelt und mit einem Reboot-Plan neu durchzustarten.

Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Bereitschaft der Führungskräfte, sich zu hinterfragen und ihr Verhalten anzupassen. Dieses Canvas lässt einen sehr guten Rückschluss auf ihre Transformationsfähigkeit zu.

Schaffen sie es, neue Visionen zu entwickeln, realistische und gleichzeitig ambitionierte Ziele zu formulieren? Sehen sie den Reboot als Chance, werden aktiv und ändern Dinge zum Besseren – oder erstarren sie wie das Kaninchen vor der Schlange? Die Augen – vor allem die der eigenen Belegschaft sowie externer Stakeholder – werden auf sie gerichtet sein. Dabei ist das Vertrauen in ihre Fähigkeiten zwar auf einem hohen Niveau, aber damit sind es eben auch die Erwartungen. Die Fallhöhe ist durchaus groß.

Klar ist: Die Führungsrolle wird sich durch die Herausforderungen mit und nach Corona maßgeblich verändern. Eine kontinuierliche Evaluation der eigenen Wahrnehmung und Kommunikation ist entscheidend, um erfolgreich durch die Krise zu navigieren.

Die Zahlen der Befragung zeigen: Wenn die Belegschaft entsprechend Führung erwartet, dann bezieht sich das auch auf den Kapitän:in auf der Brücke. Daraus resultiert die Frage: Wie positioniert sich ein CEO so, dass diese/r als starke Schulter in rauer See betrachtet wird? Von der Belegschaft, aber auch von Politik, Medien und Gesellschaft.

Auch hier gilt es, den Anschluss nicht zu verpassen und gleichzeitig Profil zu gewinnen und zu zeigen. Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist Vaude-Geschäftsführerin Antje von Dewitz. Ihr Erfolgsgeheimnis in der Krise: Klare Kommunikation in Richtung Belegschaft und Öffentlichkeit. Dabei setzt sie auf eine realistische Bewertung der Lage aus Unternehmenssicht gepaart mit Zuversicht und Weitblick. Und natürlich ihr klares Bekenntnis zu unternehmerischer Verantwortung und nachhaltigem Wirtschaften, das Vaude krisenfest gemacht hat.

Übrigens: Weibliche Führungskräfte schneiden in allen abgefragten Kompetenzfeldern etwas besser ab, als ihre männlichen Kollegen. Dabei kommunizieren die Frauen insbesondere klarer ihre Vorstellungen, wie man gemeinsam durch die Krise kommt: 75 % der weiblichen, 63 % der männlichen Führungskräfte tun das nach Ansicht ihrer Belegschaft.

Es gibt bereits gute Beispiele für Führungskräfte, denen es gelingt, in der Krise auch als solche wahrgenommen zu werden. Allen anderen helfen die Ergebnisse der Studie, etwas zu erkennen, was als Binse gelten mag, im Unternehmertum aber täglich abgefragt werden muss: Bleibe ich stehen oder bewege ich mich vorwärts und bin ich bereit, jegliche Herausforderung von Digitalisierung über Klimaschutz und nun Corona anzunehmen und etwas Positives daraus entstehen zu lassen? Und wenn ich das jetzt nicht tue, wann will ich es dann tun!?