Warum die CSU jetzt mit den Grünen und nicht mit sich selbst koalieren sollte.
Die letzte Bastion ist gefallen: Die CSU hat bei der Landtagswahl ihre jahrzehntelange Übermacht eingebüßt und kann in den kommenden fünf Jahren in Bayern nicht mehr allein regieren. Den Grünen hingegen ist bei der Landtagswahl in Bayern ein historischer Sieg gelungen. Sie ziehen mit 17,5 Prozent in den Landtag ein. Damit konnten sie ihr Ergebnis im Vergleich zu 2013 verdoppeln. Im Mutterland der Konservativen kamen die Grünen in den vergangenen 30 Jahren nie auf mehr als 9,4 Prozent. Das „bunt geschmückte Narrenschiff Utopia“, wie Franz Josef Strauß die Grünen 1986 einst betitelte, ist fortan die zweitstärkste Kraft in Bayern – in der Landeshauptstadt sogar die stärkste.
Gründe für den Erfolg gibt es viele
Überraschend kommt das Ergebnis nicht. Bereits in den Wochen vor der Wahl hat sich das Ergebnis abgezeichnet. Natürlich haben die Grünen davon profitiert, dass vielen ehemaligen CSU-Anhängern die Flüchtlingspolitik zu wenig christlich, die Rhetorik zu giftig und die Egoismen in der Berliner Koalition zu groß waren. Der Aufstieg der Grünen und der Niedergang der CSU in den Umfragen begann zeitgleich in den Sommermonaten diesen Jahres.
Der Erfolg der Grünen basiert jedoch auf ihren Themen, z. B. der Umwelt-, Klima- und Naturschutzpolitik – übrigens vor der Asyl- und Flüchtlingspolitik auf Platz drei der wichtigsten Themen für die Wahlentscheidung der Wählerinnen und Wähler in Bayern. Mehr als zwei Drittel der Wähler trauen hier den Grünen die besten Lösungen zu. Und das bei Themen, die vor allem in den ländlichen Regionen Bayerns eine große Rolle spielen. So erreichen die Grünen selbst in ländlichen Gemeinden eine Verdoppelung ihres bisherigen Ergebnisses.
Die Ökos können also Umwelt und Klima – keine neue Erkenntnis. Erstaunlich ist jedoch Folgendes: 56 Prozent der Wählerinnen und Wähler erklären, die Grünen verteidigten Werte, die ihnen wichtig seien. Rumms! Das ist neu. Entsprechend wünschen sich 59 Prozent aller Wählerinnen und Wähler in Bayern eine Regierungsbeteiligung der Grünen.
Eine Spezi, bitte!
Auf eine Regierungsbeteiligung deutete auch in den Wochen vor der Wahl vieles hin. Lange hatte eine schwarz-grüne Koalition als einziges Zweierbündnis eine Mehrheit in den Umfragen. Geheuer war das vor allem den Christsozialen nicht. Klar, die Parteien liegen programmatisch weit auseinander: Sie streiten sich beim Thema Gleichberechtigung, in der Familienpolitik und vor allem bei der Migration. Dennoch: Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten vorausgesetzt, sind Kompromisse fast nie ein Ding der Unmöglichkeit. Beide Parteien wollen regieren und auch die Führungsetage der Union in Berlin dürfte mit Blick auf die Post-GroKo-Ära Interesse an einem weiteren schwarz-grünen Modellland haben.
Aber abhängig von den Grünen? Für Markus Söder und die CSU könnte es kaum schlimmer kommen – und teurer. Denn die Grünen sind selbstbewusst: Parteichef Robert Habeck machte kürzlich in der Augsburger Allgemeinen klar, dass mögliche Sondierungsgespräche ein jähes Ende finden könnten, wenn die CSU weiter an ihrer „antieuropäischen Politik“ festhalte. Daher dürfte ein Prognosebalken Markus Söder am Wahlsonntag um 18:00 Uhr dann doch noch ein Lächeln auf die Lippen gezaubert haben: der orangefarbene Turm der Freien Wähler. Sie erzielen mit 11,6 Prozent ihr bestes Ergebnis bei einer Landtagswahl. So reicht es für eine schwarz-orangene Spezi-Koalition mit der CSU. Inhaltlich stehen sie einander sehr nah und Parteichef Hubert Aiwanger hat deutlich gemacht, dass er unbedingt regieren will.
Die Zeichen stehen auf Politikwechsel
Nachdem Ministerpräsident Söder dem historisch schlechten Resultat der CSU doch noch etwas positives abgewinnen konnte – man habe schließlich noch immer den „klaren Regierungsauftrag“ – kündigte er direkt nach der Wahl an, dass man „noch einmal genau schauen [müsse], was sich gesellschaftlich in Bayern verändert hat“. Damit gesteht der Ministerpräsident quasi ein, dass die Partei, vor allem in den Städten, Entwicklungen verschlafen habe, die andere erkannt haben: Umweltpolitik, soziale Gerechtigkeit und das Schaffen bezahlbaren Wohnraums. Das zeigt auch das Wahlergebnis. Zu der Einsicht Söders passt jedoch nicht die frühe Festlegung auf den neuen Koalitionspartner. Robert Habeck hat nicht unrecht wenn er sagt: „Das ist quasi eine Koalition der CSU mit sich selbst“. Bei den Freien Wählern sammeln sich viele Ex-CSUler, die mit ihrer alten Partei unzufrieden waren – auch in diesem Wahlkampf. Die Schnittmengen in ihrer Politik sind entsprechend groß. Eine Koalition ist entsprechend bequem: Die CSU koaliert mit der CSU-light. Vieles wird beim Alten bleiben.
Schaut man sich das Ergebnis isoliert an, hat die Christlich-Soziale Union in Bayern als stärkste Kraft natürlich einen klaren Regierungsauftrag. Vergleicht man das Ergebnis mit dem Abschneiden der Union in anderen Ländern, liegt die CSU mit 37 Prozent immer noch da, wo viele CDU-Landesverbände gerne liegen würden. Bedenkt man allerdings, aus welchen Sphären die CSU kommt, kann man durchaus von einer Wechselstimmung sprechen.
„Demut“ vor dem Ergebnis. Auch das hat Markus Söder in seiner Rede am Sonntag angekündigt. Zu spüren ist davon nichts. Der gewählte Politikwechsel in Bayern wird wohl ausbleiben. Der Wunsch vieler Wählerinnen und Wähler nach einer humanitäreren und ökologischeren Politik in Bayern wird wohl ein Wunsch bleiben.
Wechsel ginge nach diesem Ergebnis nur mit den Grünen. Dafür wurden sie auch gewählt. Viele Wählerinnen und Wähler wünschen sich einen grüneren Anstrich der Landespolitik, ohne dabei auf das heimelige Konservative gänzlich verzichten zu müssen. Natürlich wäre das für die CSU keine einfache Koalition. Aber Veränderung ist selten einfach. Veränderung bedeutet das Verlassen der eigenen Komfortzone. In der fühlt sich die CSU aber immer noch zu wohl.
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