Vergangene Woche (25. März 2022) hat EU-Kommissarin Margrethe Vestager in einem Video auf Twitter das Ende des Trilogs – und damit eine vorläufige politische Einigung der drei an der EU-Gesetzgebung beteiligten Organe Rat, Parlament und Kommission – zum Digital Market Act (DMA) verkündet. Der DMA (Gesetz über digitale Märkte) zielt auf eine stärkere, wettbewerbsorientierte Gestaltung des digitalen Sektors ab. Er muss nun in den nächsten sechs Monaten ab Inkrafttreten in der EU als Verordnung umgesetzt werden. Das bedeutet, dass er in den Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung entfalten wird, ohne dass es zusätzlicher innerstaatlicher gesetzlicher Umsetzungen bedarf.

Europa hat in der Vergangenheit zahlreiche Kartellverfahren gegen dominante Big Tech-Unternehmen (vor allem aus den USA) geführt. Falls es überhaupt zu einem Urteil kam, waren die Strafen meist schon in den Preisen der Anbieter einkalkuliert, die „Schmerzen“ erträglich, die Notwendigkeit einer Änderung des Geschäftsmodells nicht gegeben. In den USA selbst waren die Versuche, Digitalkonzerne strenger zu regulieren, bisher nicht erfolgreich. Umso mehr schaut man von dort auf die Gesetze in Europa. Und umso verzweifelter war manch Lobbyingversuch auf den letzten Metern vor der Einigung zum DMA von Big Tech-Unternehmen, die den Besuch US-amerikanischer Vertreter:innen noch nutzen zu können hofften – vergebens.

Gatekeeper verhindern Innovation

Der DMA ermöglicht nun ein direktes Verbot bisher gängiger Praktiken (v.a. für die Unternehmen vorteilhafter geschlossener Systeme) und wird für neue Akteure und europäische Unternehmen einen faireren Wirtschaftsraum schaffen. Digitale Märkte sollen damit geöffnet und Innovation gefördert werden. Die Geldstrafen können bei Erstverstößen bis zu 10 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen, bei wiederholten Verstößen sogar bis zu 20 Prozent.

Das Gesetz sieht vor, dass große Plattformen, sogenannte „Gatekeeper“, ihre Marktmacht nicht (länger) missbrauchen können. Bisher gängige Praxis war es beispielsweise, die eigenen Produkte oder Dienste gegenüber jenen anderer Marktteilnehmer durch Ranking besser zu positionieren und damit das eigene Unternehmen zu bevorzugen („self preferencing“), oder im hauseigenen App-Store andere App-Anbieter schlechter zu stellen, Zahlungsanbieter vorzugeben oder einzuschränken und damit letztlich die Kontrolle über alle Transaktionen zu behalten. Die EU will es nun nicht länger den Konzernen überlassen, die Wettbewerbsregeln zu definieren. Zu viele Unternehmen und Konsumenten sind abhängig von den großen Internet-Plattformen. Und zu sehr definieren einige wenige Unternehmen – meist außerhalb der EU – die Regeln, was es neuen Anbietern erschwert, etwas vom Kuchen abzubekommen. Beides ist der EU-Kommission schon lange ein Dorn im Auge, bisher aber fehlte die Rechtsgrundlage, daran etwas zu ändern.

Zugang zu allen Kanälen

Konkret werden User zukünftig selbst über die Installation von Programmen entscheiden können, Dienste zu ähnlichen Bedingungen abbestellen wie abonnieren können. App-Entwickler erhalten gleichberechtigten Zugang zu Funktionen der Smartphones, Verkäufer erhalten Zugang zur Marketing- und Werbedaten. Das Parlament konnte den Rat auch von den Interoperabilitätsanforderungen für Messaging-Dienste überzeugen, was bedeutet, dass Anbieter wie WhatsApp, Facebook Messenger oder iMessage sich öffnen und mit kleineren Messaging-Plattformen interagieren müssen. Für Gruppenchats wird diese Anforderung über einen Zeitraum von drei Jahren eingeführt werden. Wie genau die technische Lösung umgesetzt wird, bleibt offen – auch das aber wird agile Unternehmen ermuntern können, nutzerfreundliche Multi-Clients anzubieten und könnte größere etablierte Anbieter herausfordern.

Zu den betroffenen Konzernen („Gatekeeper“) werden mindestens die ehemals GAFAM genannten Unternehmen, Google (Alphabet), Apple, Facebook (genauer: Meta), Amazon und Microsoft gehören. Aber rechnet man das derzeitige Wachstum weiter, werden auch die niederländische Booking.com oder das chinesische TikTok als Gatekeeper zählen, es wird also nicht nur amerikanische Unternehmen einschließen. Ein seit vielen Jahren offen ausgetragener Konflikt zwischen der EU und den USA scheint damit zu einem geregelten Ende zu kommen.