Der Koalitionspoker hat begonnen. Natürlich erwartet uns ein Spektaktel, bei dem Armin Laschet früh all-in gehen muss. Der Ausgang sollte allerdings ziemlich klar sein: Aus grüner Sicht kann Jamaika nicht das Ziel sein.

Ja, warum eigentlich nicht? Die Grünen sind entscheidend in einer möglichen Jamaika-Koalition, der umworbene Partner, der das Kartenhaus zum Einsturz bringen kann. Armin Laschet steht mit dem Rücken zur Wand, mit der FDP kann sich seine Union vermutlich schnell einig werden, die Grünen sind seine letzte Chance. Entsprechend könnten sich die Grünen Jamaika sehr teuer bezahlen lassen und Forderungen durchbringen, die in einer Ampel wohl vor allem an einem Veto der FDP scheitern würden – große Investitionen im Klimaschutz, womöglich sogar ein Tempolimit. Die Grünen hätten sogar die realistische Chance auf das begehrte Finanzministerium.

Jamaika ist verlockend, mehr aber auch nicht. Auch Teile der Union haben wenig Ambitionen, sich unter diesen Vorzeichen und unter dem sehr stark geschwächten und am Wahltag übermütigen Armin Laschet in ein Jamaika-Bündnis zu stürzen. Immer mehr Unionsvertreter sehnen einen Neuanfang herbei. Der konservative Teil der Union dürfte zudem bei Durchsicht eines schwarz-grün-gelben Koalitionsvertrags noch stärker um seinen vielzitierten Markenkern trauern. Zu schwach ist die Ausgangslage der Union für selbstbewusste Verhandlungen. Für die Liberalen wäre zwar Jamaika das einfachere Bündnis, dennoch müssten sie vermutlich an vielen Stellen zugunsten der Grünen zurückstecken (Finanzministerium, Steuerpolitik und weitere Zugeständnisse).

Aber zurück zu den Grünen: Drei Faktoren sprechen bei genauerer Betrachtung gegen Jamaika:

Die grüne Basis

Das belegen die Zahlen: Nur 21 Prozent der Grünen-Wähler:innen wünschen sich laut Infratest dimap eine Jamaika-Koalition. Das ist zu wenig. Für eine Ampel ist die Zustimmung im grünen Lager mehr als doppelt so hoch (43 Prozent). Darüber hinaus: Ein Kanzler Laschet? 94 Prozent der grünen Anhänger:innen präferieren laut SPIEGEL-Umfrage Olaf Scholz. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Dass sich die grüne Basis, die obendrein etwas weiter links steht als ihr Parteivorsitz, ohnehin schwer mit Jamaika-Koalitionen tut, ist bekannt. Die Führung kann der Basis eine Jamaika-Koalition unter diesen Umständen nicht verkaufen, wenn gleichzeitig eine Ampel möglich ist.

Das grüne (Wahl-)Narrativ

Die Grünen sind angetreten um das „Weiter-so“ zu beenden, warben für einen „echten Aufbruch“ – eine Koalition mit der Union verspricht das Gegenteil. Armin Laschet ist das personifizierte „Weiter-so“­, der „Weiter-so“-Kandidat. Deshalb hat ihn die CDU aufgestellt. Genau in dieser Weiter-so-Tonalität liest sich das Unions-Programm. Dass neue Ideen fehlen, zeigten nicht nur die vagen Aussagen Laschets in Sommerinterviews, Triellen und Wahlarenen – sein Wahl-Narrativ lautet schlicht und einfach „Weiter-so“. Dass man auf dieser Grundlage einen „echten Aufbruch“ vollziehen kann, der, wie es die Grünen in ihrem Programm fordern, eine vorausschauende Politik und sozial gerechten Klimaschutz anstrebt, darf stark bezweifelt werden.

Die grüne Sache

Apropos „konsequenter Klimaschutz“: Die Grünen sind angetreten um eine „Klimaregierung“ zu bilden. Das wird gemeinsam mit Schwarz-Gelb nicht ansatzweise möglich sein. Armin Laschet ließ das bereits kurz nach seiner Ernennung zum Spitzenkandidaten durchblicken: „Wir regieren NRW so, wie ich es mir auch für den Bund vorstellen würde“. Die Bilanz der schwarz-gelben Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ist verheerend, kürzlich haderte Laschet im Wahlkampf mit dem Atomausstieg. Jemand, der noch auf der Suche nach dem Grund dafür ist, warum „Klimaschutz plötzlich zu einem weltweiten Thema geworden“ ist, kann kein Partner für einen konsequenten Klimaschutz sein. Folgerichtig erteilte Annalena Baerbock bereits eine Woche vor den Bundestagswahlen einem schwarz-grünen Bündnis eine Absage: „Ich hielte es für richtig, wenn die Union in die Opposition ginge“, sagte Baerbock. „Die Union steht für Stillstand in unserem Land und ist ohne Führung und Planung.“ Baerbock hat nun zwar nicht mehr das letzte Wort, aber inhaltlich hat sie einen Punkt.

Aus grüner Sicht kann Jamaika daher nicht das Ziel sein.  Auch wenn Robert Habeck noch so oft betont, dass man offen in Gespräche gehe und er nicht nur bereits einmal eine Jamaika-Koalition verhandelt, sondern auch positive Erfahrungen als Teil einer solchen Koalition gesammelt habe. Meine Vermutung: Er blinkt nach rechts, um sich links so teuer wie möglich zu verkaufen und zu verhindern, dass die Grünen bei den schwierigen Verhandlungen, die sich zwischen SPD und Liberalen abzeichnen, nicht zum dritten Rad am Wagen werden. Er will damit eine Situation, die Liberale ihrerseits wiederum bei den Jamaika-Verhandlungen nach der Wahl 2017 beklagt hatten, unter allen Umständen verhindern. Die Botschaft: Nur weil alle Zeichen auf Ampel stehen, gibt es keinen Automatismus.

Nein, natürlich gibt es keinen Automatismus, aber einen Auftrag. Einen Auftrag für eine Sache, die größer ist als das Finanzministerium.

Foto: Instagram/@abaerbock