Im Gespräch mit Kira Marie Peter-Hansen, Mitglied des Europäischen Parlaments

365 Sherpas: Frau Peter-Hansen, betrachten Sie Europa als Heimat, ähnlich wie Sie Ihre Heimatstadt oder Ihr Heimatland als Heimat empfinden?

Kira Marie Peter-Hansen: Ich denke, dass Europa eine Heimat sein kann, aber vielleicht nicht auf dieselbe Art und Weise wie ein Heimatland oder eine Heimatstadt. Wenn ich nach der Arbeit im Parlament in mein neues Apartment in Brüssel komme, fühle ich mich tatsächlich zu Hause. Aber heute fahre ich nach Hause nach Dänemark und das fühlt sich anders an. Für mich hat jedes einzelne „Zuhause“ eine unterschiedliche Bedeutung. Hier in Brüssel arbeite ich viel und in Dänemark kann ich Zeit mit meinen Freunden verbringen.

365 Sherpas: Glauben Sie, dass die jüngere Generation europäischer ist als die Generationen davor?

Peter-Hansen: Auf jeden Fall. Ich denke, es gibt einen Unterschied zwischen den Generationen, die vor dem Fall der Berliner Mauer geboren wurden, und der Nachwende-Generation. Die nach 1989 geborene Generation ist meiner Meinung nach einfach stärker globalisiert und betrachtet die EU als eine Plattform für Kooperation, die es schon immer gab und die ihren Sinn hat. Daher sind viele junge Menschen proeuropäischer eingestellt.

365 Sherpas: Wie stellen Sie sich die EU in 20 Jahren vor?

Peter-Hansen: Ich hoffe, dass Europa in 20 Jahren keine fossilen Brennstoffe mehr verwenden wird und vollständig auf nachhaltige Energie umgestellt hat, sodass wir in Sachen Klimagerechtigkeit Fortschritte erzielen können. Außerdem hoffe ich, dass wir in einem Europa leben werden, dem es gelungen ist, dem erstarkenden Nationalismus und Rechtspopulismus Einhalt zu gebieten. Ich wünsche mir eine EU, in der uns bewusst ist, dass es Unterschiede zwischen unseren Kulturen und Lebensweisen gibt, ohne dass diese Unterschiede unsere Beziehung bestimmen, sodass wir unsere Kooperation noch verstärken können. Ich habe das Glück, aus Dänemark zu stammen und zu einer der privilegiertesten jungen Generationen zu gehören. Ich möchte, dass wir alle in etwa dieselben Chancen haben, egal in welchem Land wir geboren wurden. Wir müssen die zunehmende Ungleichheit bekämpfen.

»Die nach 1989 geborene Generation ist meiner Meinung nach einfach stärker globalisiert und betrachtet die EU als eine Plattform für Kooperation, die es schon immer gab und die ihren Sinn hat.«

365 Sherpas: Wie können Sie dazu beitragen, das zu verwirklichen?

Peter-Hansen: Ich kann durch harte gesetzliche Maßnahmen dazu beitragen. Zum Beispiel, indem ich mich dafür einsetze, dass der Haushaltsentwurf, den wir gerade aufstellen, einen höheren Anteil an grünen Investitionen vorsieht.

365 Sherpas: Es wird viel über die „grüne Welle“ in Brüssel gesprochen. Glauben Sie, dass Ursula von der Leyens Entscheidung, den „Green Deal“ zu einer Priorität ihrer Kommission zu erklären, ein Schritt in die richtige Richtung ist?

Peter-Hansen: Das kommt darauf an, ob sie dieses Ziel auch umsetzt. Ursula von der Leyen stand auf der Beliebtheitsskala der Grünen in der Vergangenheit vielleicht nicht besonders weit oben, aber sie könnte vieles bewirken. Ich bin mir sicher, dass der Kampf gegen den Klimawandel unter ihr mehr Gewicht erhalten wird als unter Juncker. Allerdings war ich enttäuscht, dass Janusz Wojciechowski aus Polen zum Agrarkommissar ernannt worden ist, denn er ist wahrscheinlich nicht so „grün“, wie er sein sollte.

365 Sherpas: Sie verbringen nun viel Zeit in Brüssel und Straßburg. Gibt es etwas aus Ihrem Heimatland oder Ihrem Wahlkreis, das Sie vermissen?

Peter-Hansen: Es gibt zwei Dinge, die ich vermisse. Ich fürchte, es klingt etwas arrogant und elitär, aber ich vermisse das saubere Trinkwasser aus Kopenhagen, das nicht nach Chlor schmeckt, und die vielen gemütlichen Cafés, in denen man Latte mit Hafermilch trinken kann.

______________________________

Das Gespräch führte Verena Bitter.

Mit 21 Jahren ist Kira Marie Peter-Hansen die jüngste Europaabgeordnete aller Zeiten. Sie vertritt die dänische Sozialistische Volkspartei (Teil der Europäischen Grünen Partei). Im Zentrum ihrer politischen Arbeit steht eine umweltfreundliche Politik.