Im Gespräch mit Eleonora Evi, Mitglied des Europäischen Parlaments
365 Sherpas: Frau Evi, betrachten Sie Europa als Heimat, ähnlich wie Sie Ihre Heimatstadt oder Ihr Heimatland als Heimat empfinden?
Eleonora Evi: Ja, ich identifiziere mich als europäisch und betrachte Europa als meine Heimat. Ich glaube, dieses Gefühl regt sich und verstärkt sich, wenn man die Welt bereist. Ich war beruflich und in meiner Freizeit in China, Japan, den USA und Brasilen unterwegs. Dabei hatte ich das Gefühl, einen Schritt zurückzutreten und das große Ganze zu sehen. Und da habe ich gemerkt: „Ich bin Europäerin.“
365 Sherpas: Glauben Sie, dass sich Ihre Generation oder jüngere Generationen im Allgemeinen europäischer fühlen als vorherige Generationen?
Evi: Ich denke, dass unsere Generation von den Möglichkeiten profitiert, die die Europäische Union eröffnet, z.B. vom Erasmus-Programm. Viele Studierende haben heute die Chance, in einem anderen Mitgliedstaat zu studieren und zu leben und so verschiedene Sprachen und Kulturen zu erleben. Das trägt dazu bei, dass sie eine europäische Identität entwickeln. Allerdings sollten wir nicht vergessen, dass es die vorherigen Generationen waren, die unser heutiges Europa gegründet haben. Nach ihren traumatischen Erfahrungen träumten sie von Frieden auf dem Kontinent und deshalb bauten sie das „Haus Europa“. Ich glaube nicht, dass es damals noch keine europäische Identität gab – sie scheint heute jedoch weiter verbreitet und mehr Menschen bezeichnen sich als Europäer*innen.
»Ich wünsche mir, dass es in 20 Jahren keine Ungleichheit mehr in Europa gibt, auch keine Arbeitslosigkeit und keine soziale Ausgrenzung. So könnten alle glücklich sein, das hoffe ich zumindest.«
365 Sherpas: Wie stellen Sie sich die EU in 20 Jahren vor? Wie kann Ihre Vision von Europa verwirklicht werden?
Evi: Wow. Es gibt viele Herausforderungen. Eine meiner Prioritäten ist ein Europa ohne fossile Brennstoffe. Ich stelle mir vor, dass jede(r) von uns und jeder Haushalt seine Energie selbst produzieren kann und wir es mit einem vollkommen veränderten Nahrungsmittelsystem zu tun haben. Wir sollten unseren ökologischen Fußabdruck auf ein Minimum reduzieren und damit den negativen Einfluss Europas auf andere Teile der Welt beenden. Ich wünsche mir, dass es in 20 Jahren keine Ungleichheit mehr in Europa gibt, auch keine Arbeitslosigkeit und keine soziale Ausgrenzung. So könnten alle glücklich sein, das hoffe ich zumindest.
365 Sherpas: Was können Sie Ihrer Meinung nach als Europaabgeordnete und als Privatperson tun, damit sich Menschen in Europa mehr zu Hause fühlen?
Evi: Zu Hause zu sein bedeutet für mich, dass ich mich sicher und wohl fühle. Es bedeutet, die Freiheit zu haben, das zu tun, was man möchte. Wenn man allen Menschen die Möglichkeit gibt, das zu fühlen, egal wo sie herkommen, kann sich Europa zu einer offenen und inklusiven Gesellschaft entwickeln. Als Mitglied des Europäischen Parlaments werde ich mein Bestes dafür geben, um unsere Gesundheit und die Umwelt zu schützen.
365 Sherpas: Sie verbringen viel Zeit in Brüssel und Straßburg. Gibt es etwas aus Ihrer Heimat, das Sie vermissen?
Evi: Ich reise sehr viel hin und her. Das gefällt mir, denn ich fühle mich wie eine Brücke zwischen Brüssel und meinem italienischen Wahlkreis. Ich kann den Leuten über meine Arbeit berichten und darüber sprechen, warum es wichtig ist, dass ich dort bin. Es gibt nicht vieles, das ich vermisse. Vielleicht meine zwei Katzen und, das muss ich natürlich sagen, meinen Mann (sie lacht).
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Das Gespräch führte Roxane Roth.

Eleonora Evi wurde 1983 in Mailand geboren. Sie wurde 2014 und 2019 für die italienische 5-Sterne-Bewegung ins Europäische Parlament gewählt. Dort
ist sie im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, im Petitionsausschuss und in der Delegation für die Beziehungen zur Volksrepublik China tätig.