Wer in Österreich zurücktritt, tut dies in den letzten Jahren vermehrt im Mai. Ein Anlass für eine Kategorisierung und Best-Of politischer Rücktritte.

„Alles neu macht der Mai“ – unter diesem Titel stehen nicht nur das 1829 verfasste Lied, sondern auch einige politische Schicksale. In keinem anderen Monat des Jahres sind in der kürzeren Vergangenheit so viele österreichische Politiker*innen zurückgetreten. Alleine seit 2016 haben Spitzenpolitiker*innen aller Parlamentsparteien das Handtuch geworfen. Den Beginn des Monats und den ersten Rücktritt durch Johannes Kahrs (SPD) in Deutschland nahmen wir zum Anlass, um skandalträchtige, machtpolitische, aber auch freiwillige Rücktritte in Österreich und auf der internationale Bühne Revue passieren zu lassen.

Die Skandale

Der Mai 2019 hielt ganz Österreich im Atem und verband die österreichische Polit-Elite mit der Partyinsel Ibiza. Eine Kooperation zwischen Spiegel und Süddeutsche Zeitung zeigten Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus bei heimlich gefilmten Gesprächen mit einer vermeintlich russischen Oligarchen-Nichte. In den Videos, die vor der Regierungsbeteiligung der FPÖ entstanden, schilderte der ehem. FPÖ-Obmann mutmaßlich illegale Gegenleistungen, falls die Beteiligte ihm zu einem Wahlsieg verhelfen würde. Sowohl Heinz-Christian Strache als auch der zweite gefilmte FPÖ-Politiker Johann Gudenus traten am 18. Mai 2019 in Folge der Veröffentlichungen zurück und leiteten das Koalitionsende von ÖVP und FPÖ ein.

Politische Skandale sind auch auf internationaler Bühne keine Seltenheit. So legte der deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Gutenberg im März 2011 seine politischen Ämter nach der Plagiatsaffäre rund um seine Dissertation zurück. Auch der bislang einzige Rücktritt eines US-Präsident resultierte aus einem Skandal. Der „Watergate-Skandal“ rund um die installierten Abhörgeräte in dem Watergate-Bürokomplex schlug hohe mediale und politische Wellen. In einem der Bänder befahl Nixon selbst die Justizermittlung zu behindern. Obwohl ein Impeachment-Verfahren aufgrund des strafrechtlichen Hintergrunds nicht möglich war, trat Nixon im August 1974 zurück.

Strache

Gutenberg

Nixon

Die Machtspiele

Die Quintessenz des politischen Systems ist das Streben nach Macht. Dementsprechend sind auch parteiinterne Machtspiele keine Seltenheit und beendeten manche politischen Karrieren vorzeitig. Zwei Beispiele hierfür bieten Kanzler und Vizekanzler der letzten Großen Koalition in Österreich. Nach der herben Niederlage der SPÖ bei der 1.Runde der Präsidentschaftswahl 2016, verlor auch der Parteivorsitzende Werner Faymann den Rückhalt innerhalb seiner Partei. Nachdem er am 1. Mai am Rathausplatz vom Publikum ausgepfiffen wurde, trat er schlussendlich als erster österreichischer Bundeskanzler von allen politischen Ämtern zurück bevor ein Nachfolger gefunden wurde. Ein Jahr später setzte sein Vizekanzler, Reinhold Mitterlehner, den Spekulationen rund um seine Zukunft in der ÖVP ein Ende. Mit den Worten „Ich bin kein Platzhalter“ trat er zurück und ebnete den Weg für Sebastian Kurz, der Parteichef und Spitzenkandidat für die nächste Wahl wurde. Hintergrund des Rücktritts waren die Spekulationen rund um den Zeitpunkt der Übernahme durch Sebastian Kurz.

Ähnliche Machtspiele beendeten auch die politische Karriere von Theresa May im Mai 2019. Nachdem die Minister Davis und Johnson von ihren politischen Ämtern aus Kritik am Brexit-Kurs im Juli 2018 zurücktraten und auch das 1992-Komitee ihren Rücktritt forcierte, wurde es auch für die Premierministerin immer enger. Schlussendlich übergab sie nach der Rücktritts-Bekanntgabe im Mai die Regierungsgeschäfte an den nunmehrigen Premier Boris Johnson im darauffolgenden Juli.

Mitterlehner

Faymann

May

Die persönlichen Beweggründe

Das Streben nach Macht und Stimmenzugewinn bestimmt das Leben in der Politik. Viele treten als Reaktion auf verlorenen Wahlen zurück, manche fallen den Machtspielen zu Opfer oder andere stolpern über eigene Fehler. Es gibt aber auch Rücktritte, die überraschend kommen und weder auf Skandale noch Wahlverluste zurückzuführen sind. So auch die österreichischen Politiker*innen Matthias Strolz (NEOS) und Eva Glawischnig (GRÜNE). Beide verkündeten innerhalb eines Jahres ihren Rücktritt aus der Politik. Während Matthias Strolz sich selbst als „keinen Sesselkleber“ bezeichnete, bereitete er seinen Ausstieg sorgsam vor und übergab die Parteigeschäfte nach einer Übergangsphase offiziell an Beate Meinl-Reisinger. Anders verlief der Ausstieg von Eva Glawischnig. Sie sprach in ihrer Verkündung von einer „zutiefst persönlichen Entscheidung“ und körperlichen Warnsignalen.

Als erster politscher Vertreter des Vatikans trat auch Benedikt XVI. aufgrund von Altersschwäche freiwillig von seinen politischen Ämtern zurück. Die Nachricht, vorgetragen auf Latein, wurde in der Weltöffentlichkeit als Sensation wahrgenommen und änderte das Papst-Bild nachhaltig. Auch Tony Blair verkündete im Mai 2007 seinen freiwilligen Rücktritt aus der Politik und ebnete den Weg für Gordon Brown, der sein Amt im Juni antrat. Bis heute ist Tony Blair der bisher am längsten regierende Labour-Premierminister.

Papst Benedikt

Glawischnig

Blair

Politische Rückzüge können vielerlei Gründe haben und sind oft nicht geplant. Bemerkenswert dabei ist allerdings, dass zumindest in Österreich die Rücktritte in den letzten Jahren vermehrt im Mai stattfinden. In der aktuellen Situation ist kein politischer Rücktritt abzusehen und die politische Elite scheint gefestigt zu sein. Allerdings hat uns der Mai in den letzten Jahren wiederholt eines Besseren belehrt.